Social Media: Nährboden für Fake News

| Bettina Bichsel

Ob in der Corona-Pandemie, im Ukraine-Krieg oder bei anderen Themen: Fake News, also Informationen, die als Fakten dargestellt werden, aber nicht der Wahrheit entsprechen, tauchen eigentlich täglich auf. Wie lassen sie sich entlarven?

In Deutschland wurde im März ein 12-jähriges Mädchen gewaltsam getötet – die Tat gestanden haben zwei Mädchen im selben Alter. In die Trauer, das Unverständnis und die Ohnmacht des Geschehens, zu dem die Polizei sich nur zurückhaltend äusserte, um die beiden Minderjährigen zu schützen, mischte sich innerhalb kürzester Zeit in den sozialen Medien eine Flut von Spekulationen und Gerüchten, Hassbotschaften und Drohungen. Die Profile der mutmasslichen Täterinnen wurden gelöscht, die Polizei sprach von Falschmeldungen, die sich nicht mit dem Ermittlungsstand deckten, und appellierte an die Bevölkerung, keine Mutmassungen zu verbreiten.

Das tragische Beispiel zeigt die Rolle, die den sozialen Netzwerken beim Thema Fake News zukommt: Sie sind ein idealer Nährboden für Fake News.

Desinformation ist nicht neu…

Klar hat es Gerüchte und die willentliche Verbreitung falscher Informationen immer schon gegeben. In Kriegen beispielsweise wird seit jeher Propaganda betrieben, um das eigene Handeln zu legitimieren und die gegnerische Seite zu diffamieren.

Ich erinnere mich an einen Film aus meiner Jugendzeit – noch vor meiner Ausbildung zur Journalistin. In «Wag the Dog» aus dem Jahr 1997 (deutscher Titel: «Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt») stehen die US-Präsidentschaftskandidaten an. Das Problem: Der Amtsinhaber wird mit einem Sex-Skandal konfrontiert. Klar, dass das die Wählerzahlen nicht gerade in die Höhe treibt. Also greift sein Wahlkampfstratege tief in die Trickkiste. Er erfindet eine nationale Sicherheitskrise wegen einer angeblich terroristischen Verschwörung, um die gesellschaftliche und mediale Aufmerksamkeit darauf zu ziehen. Schliesslich kommt es zum (fiktiven) Krieg. Vermeintliche Kriegshandlungen, Augenzeugenberichte bis hin zur Geschichte eines angeblich verschollenen Soldaten, der bei der Befreiung ums Leben kommt und als Held gefeiert wird  – alles wird in den Hollywood-Studios in Szene gesetzt.

Fake News leben davon, dass sie Zuspruch erhalten und weiterverbreitet werden.

…aber das Internet ist wie ein Brandbeschleuniger

Natürlich handelt es sich um eine komplett überzogene Politsatire. Spätestens seit der Präsidentschaft von Donald Trump ist der Begriff «Fake News» aber allgegenwärtig. Und gerade die sozialen Netzwerke, aber auch technologische Entwicklungen führen dazu, dass sich Desinformationen einerseits rasant verbreiten und andererseits oft nicht leicht zu erkennen sind.

Bevor wir uns anschauen, welche Möglichkeiten wir haben, um Fake News zu enttarnen, noch ein paar Erläuterungen zu verschiedenen Begrifflichkeiten:

  • Falschmeldungen: Von einer Falschmeldung oder Fehlinformation sprechen wir, wenn ein journalistisches Medium versehentlich eine Nachricht publiziert. Früher gab es den Ausdruck «Zeitungsenten». Auf eine solche Falschmeldung folgt so rasch wie möglich ein Korrigendum, um den Sachverhalt richtigzustellen.
  • Fake News: Im Unterschied zu Falschmeldungen steht bei Fake News eine willentliche Absicht dahinter, Menschen zu beeinflussen, zu täuschen, aufzuwiegeln oder Hass zu schüren. Falsche Sachverhalte werden gezielt verbreitet, weshalb von Desinformation die Rede ist.
  • Deepfakes: Mithilfe von immer ausgeklügelteren technologischen Entwicklungen lassen sich Bilder, Videos und Audioaufnahmen täuschend echt manipulieren. Menschen werden in anderen Kontexten dargestellt oder ihnen werden Aussagen in den Mund gelegt, die sie nie gemacht haben. In solchen Fällen sprechen wir von Deepfakes.
  • Verschwörungstheorien: Verschwörungstheorien – oder eigentlich eher Verschwörungsmythen, denn sie basieren ja nicht auf wissenschaftlichen Theorien – gehen immer mit Fake News einher. Auch sie hat es historisch gesehen immer wieder gegeben (Beispiel: angezweifelte Mondlandung). In der Corona-Pandemie kursierten allerdings besonders viele solcher Verschwörungsmythen. Oft kommen sie aus Kreisen mit rassistischem, antisemitischem oder anderem menschenverachtenden Gedankengut und werden mit dem Ziel verbreitet, demokratische Strukturen zu destabilisieren.

 

Anschein von Seriosität und Glaubwürdigkeit

Fake News leben davon, dass sie von Menschen Zuspruch erhalten und weiterverbreitet werden. Aber wie kann es sein, dass die wahren Absichten der Urheber*innen nicht durchschaut werden? Dass Fake News überhaupt für bare Münze gehalten werden?

Zum einen sind Fake News meistens gut getarnt. Auf den ersten Blick kommen sie als seriöse Informationen daher und sind so kaum zu unterscheiden von journalistischen Inhalten. Ausserdem greifen sie oft Themen auf, denen Sorgen und Ängste vieler Menschen zugrunde liegen. Die Corona-Pandemie ist ein gutes Beispiel dafür, weil erst nach und nach verlässliche Informationen über das Virus vorlagen und entsprechend grosse Verunsicherung herrschte. Und gerade wenn Fake News zu Verschwörungsmythen auswachsen, geht es auch immer darum, einfache Antworten vorzugaukeln in einer Welt, die nun mal hochkomplex ist, und in der es selten simple Lösungen gibt.

So lassen sich Fake News enttarnen

Aber wie erkennen wir nun in diesem riesigen Informationsdschungel, der das Internet ist, was verlässlich und was falsch ist?

  • Der Schweizer Verlegerverband erklärt in einem Video, wie Journalist*innen arbeiten und was auf Fake News hindeutet:
    • Die Nachricht wird nicht von einem bekannten Print-, Online-, Radio- oder TV-Medium verbreitet.  
    • Die Berichterstattung ist nicht neutral. Es wird klar Stellung bezogen, aber z.B. nicht darauf hingewiesen, dass es sich um die Ansicht des Autors*der Autorin handelt. 
    • Ein Thema wird einseitig beleuchtet. Dargestellt wird nur eine Sicht.
    • Es wird nicht unterschieden zwischen sachlicher Berichterstattung und der Wiedergabe von Meinungen.
    • Autorenschaft und Quellen sind unklar.
    • Die Webseite verfügt nicht über ein Impressum.
  • Fakten zu prüfen wird auch von professionellen Stellen übernommen. Wie sie arbeiten, ist unter anderem Thema eines früheren Blogbeitrages. Das Ergebnis ihrer Prüfungen veröffentlichen sie online, z.B. die Organisationen Correctiv und Mimika in ihren Faktenchecks, der Tagesanzeiger in einem Blog über Nachrichten zum Ukrainekrieg.
  • Wenn Sie mit Ihren Kindern über das Thema sprechen wollen, können Sie die Fakefinder-Tools von SWR zur Hilfe nehmen:
  • Bei Bildern lässt sich mit einer sogenannten Rückwärtssuche feststellen, in welchen Zusammenhängen ein Foto allenfalls schon früher im Netz veröffentlicht worden ist. Ist dies der Fall, wurde es vielleicht manipuliert oder für Propaganda missbraucht. Neben der Google-Suchfunktion gibt es auch ein Tool von Tineye.  
  • Und auch für Videos gibt es eine Hilfestellung, um zu erkennen, ob es Hinweise auf Fake News gibt. Der Amnesty-Video-Check funktioniert allerdings nur mit YouTube-Videos. Inhalte, die auf anderen Plattformen veröffentlicht wurden (z.B. auf TikTok) können so noch nicht geprüft werden. 


Weitere Informationen und Hilfestellungen zum Thema finden Sie in unserer Rubrik → Fake News & Manipulation.

Bettina Bichsel ist Journalistin und Texterin. Sie schreibt und bloggt unter anderem für Jugend und Medien.