Eine Kinderbetreuerin schaut etwas mit den Kindern auf dem Tablet.

Digitale Medien in der Kinderbetreuung

Bereits im Kleinkindalter kommen Kinder in Kontakt mit digitalen Medien. Betreuungseinrichtungen wie Kindergärten, Kitas, Horte kommen deshalb nicht darum herum, sich mit Fragen rund um Medienerziehung auseinanderzusetzen. Ob und wie diese erfolgen soll, darüber scheiden sich die Geister – bei Fachkräften wie Eltern. Lässt sich eine Einrichtung darauf ein, kann Medienbildung kontinuierlich und kindgerecht in den Bildungsalltag integriert werden – kreativ, spielerisch und forschend.

20%
der Kinder im Vorschulalter schauen einer deutschen Studie zufolge jeden Tag mehr als eine Stunde fern. (LIFE Child 2018)
21%
der 2- bis 5-Jährigen in Deutschland schauen meist alleine Videos oder DVDs. (miniKIM 2014)
3,8
Jahre alt waren Kinder durchschnittlich bei ihrer ersten Internetnutzung. (miniKIM 2014)
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Gut zu wissen

Kleinkinder wachsen mit digitalen Geräten auf. Dennoch gehört Spielen (ob drinnen oder draussen) noch immer zu den Lieblingsbeschäftigungen von 4- und 5-Jährigen. Doch digitale Geräte faszinieren und geniessen deshalb schon früh einen hohen Stellenwert – sei es, um Bilder oder Filme anzuschauen, Musik zu hören oder ein Game zu spielen. Weniger oft nutzen Kinder in diesem Alter das Internet. Dazu fehlen ihnen die dafür erforderlichen Lese- und Schreibkompetenzen. Viele Familien setzen auch Lernprogramme ein. Gemäss der ADELE-Studie 2018 der ZHAW tun dies knapp die Hälfte der befragten Familien.

Viele der befragten Eltern sehen zudem für sich selbst Vorteile, wenn ihre Kinder digitale Medien nutzen: denn sie bieten eine wirksame Möglichkeit, Kinder zu beschäftigen, um selber etwas im Haushalt zu erledigen, einen Moment für sich zu haben oder um Randzeiten zu füllen. Wichtig ist es gerade deshalb nicht zu vergessen: digitale Medien sind keine Babysitter und sollten immer im Auge behalten werden.

Kleine Kinder lernen, indem sie andere beobachten und von ihnen abschauen oder indem sie selber Dinge ausprobieren. Das gilt auch für den Umgang mit digitalen Medien. Die Anziehungskraft, die von digitalen Medien ausgeht, wird durch das Verhalten von Bezugspersonen noch gesteigert. In der ADELE-Umfrage in der Deutschschweiz und der Romandie gaben mehr als die Hälfte der Eltern als Motiv für die Medienaktivitäten ihrer Kinder an, dass sie durch ihr soziales Umfeld angeregt wurden. Entsprechend bedeutend ist, was ihnen durch ihre wichtigsten Bezugspersonen, also Eltern, Geschwister, aber auch Betreuungspersonen in Kitas oder Kindergärten vorgelebt wird.

Je älter die Kinder sind, desto kompetenter und selbstverständlicher bedienen sie mediale Geräte. Im Alter von 4 bis 7 Jahren sind Bedienfähigkeiten noch rudimentär, d.h. sie können beispielsweise Geräte wie Fernseher, Smartphone oder Tablet selber einschalten, einen TV-Sender wechseln oder eine CD abspielen.

Die technischen Möglichkeiten vereinfachen die Nutzung durch Kinder: Touchscreens, Emojis als Ersatz für Text und zunehmend auch Sprach-Interfaces, welche die Navigation mithilfe von Sprachbefehlen ermöglicht, sind nur ein paar Beispiele. Bei den Sprach-Interfaces stellen allerdings (Deutschschweizer) Dialektformen ein Hindernis dar.

Kinder in der Vorschule sind noch nicht in der Lage, Medieninhalte kritisch zu hinterfragen, die eigene Mediennutzung selbst zu regulieren oder Konsequenzen von nicht kindgerechter Nutzung abzuschätzen. Eine enge Begleitung durch Erwachsene ist daher unerlässlich.

Sie kann, muss aber nicht. Eine Untersuchung aus Deutschland etwa weist auf einen Zusammenhang zwischen frühen Medienzeiten von 2- bis 6-jährigen Kindern und Verhaltensauffälligkeiten hin. So zeigten Vorschulkinder, die bereits jeden Tag ein Smartphone nutzten oder am Computer sassen, ein Jahr später eher ein auffälliges Verhalten wie Hyperaktivität und Unaufmerksamkeit oder emotionale Probleme. (LIFE Child-Studie 2018)

Sicher ist, dass gerade bei Kleinkindern für die Entwicklung das direkte Erleben der eigenen (realen) Umwelt von grosser Bedeutung ist und digitale Medien aufgrund ihrer Reize überfordern können. Zudem können Kinder erst mit zunehmendem Alter zwischen Realität und Fiktion unterscheiden.

Letztlich sind immer verschiedene Faktoren ausschlaggebend: Nutzungsdauer, altersgerechte Inhalte, Umstände der Mediennutzung, aber besonders auch der individuelle Entwicklungsstand eines Kindes, dessen Erfahrungen, Interessen und die Tagesform. In jedem Fall müssen gerade kleine Kinder durch Eltern oder andere Bezugspersonen begleitet werden.

Die Vermittlung von Medienkompetenz ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Eltern und pädagogischen Betreuenden. Pädagogisch begleitet können digitale Medien zur Erweiterung von Lern- und Erfahrungswelten dienen: Sie werden einerseits als Werkzeug der kreativen Gestaltung, der Kommunikation, des Erforschens und Experimentierens eingesetzt, andererseits bieten sie auch neue Formen des Lernens und Förderns, z.B. von Sprache und logischem Denken.

Wichtig ist, Medien(-inhalte) gezielt auszuwählen und einzusetzen, nicht zuletzt deshalb, weil Gesehenes und Erlebtes bei Kindern unterschiedliche Eindrücke und Reaktionen auslöst. Dabei hilft es auch, sich auf die kindliche Sichtweise einzulassen und sich mit – manchmal auf den ersten Blick vielleicht unverständlichen – Medienvorlieben von Kindern auseinanderzusetzen, um die Faszination bestimmter Angebote zu verstehen.

Kitas, Horte und Kindergärten können so die Lern- und Entwicklungschancen digitaler Medien nutzen und zu einer altersgerechten kritischen Auseinandersetzung beitragen.

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Potenzial für den pädagogischen Alltag

Ein überwiegend negativer Fokus auf digitale Medien greift zu kurz und verhindert eine kritische pädagogische Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Möglichkeiten zur Kreativitäts- und Lernförderung bieten eine Chance, die – als Ergänzung zu anderen, nicht-medialen Aktivitäten – genutzt werden sollte. Spielerische, pädagogisch-angeleitete Projekte, etwa die Gestaltung von Fotorätseln, Hörspielen oder Filmen, verschieben den Fokus auf eine bildungsbezogene (statt konsumorientierte) Nutzung.

Hinzu kommt der Bildungsauftrag in Bezug auf Medienkompetenz. So steht als eines der Ziele im Lehrplan 21 auf Kindergartenstufe, dass Kinder im Stande sein sollten zu benennen, welche unmittelbaren Emotionen wie Freude, Wut oder Trauer durch die Mediennutzung ausgelöst werden. Schliesslich können digitale Medien auch für die Betreuerinnen und Betreuer eine Entlastung sein in ihrer pädagogischen Arbeit – als Werkzeug der Bildungsdokumentation und der Gestaltung von Materialien.

Im Zentrum der Medienkompetenzförderung sollen stets die Kinder und ihr Erleben stehen, nicht einzelne Medien oder technische Kompetenzen. Medial vermittelte Geschichten, etwa über digitale Bilderbücher, Hörmedien und Kurzfilme, regen die Fantasie der Kinder an und lassen sich in Gespräch und Spiel weiterverarbeiten. Darüber hinaus sollen Kinder lernen, digitale Medien selbständig zu nutzen. Dies gelingt, indem sie die Medien einerseits spielerisch-kreativ erforschen und einsetzen sowie andererseits als Lern- und Recherchetool anwenden. Auch das Internet kann so als Wissens- und Kommunikationsraum erkundet werden.

Sinnvoll ist dabei der Einbezug der Eltern auf verschiedenen Ebenen. Neben der Sensibilisierung für Medienerziehung und eine altersgerechte Mediennutzung können Tipps zur Auswahl geeigneter Angebote und Inhalte gegeben sowie konkrete Projekte z. B. im Rahmen eines Elternabends vorgestellt werden.

Kinder sollen die Möglichkeit haben, Erfahrungen zu sammeln, indem Anknüpfungspunkte für die Auseinandersetzung mit digitalen Medien geschaffen werden. Medienkompetenz steht so im Zusammenhang mit der Entwicklung von Lebenskompetenz. Dass Erzieherinnen und Erzieher in Kitas und Kindergärten über keine spezifische medienpädagogische Bildung verfügen, muss kein Hindernis sein. Entscheidend für eine verantwortungsbewusste Begleitung sind neben der pädagogisch und methodisch-didaktischen Kompetenz das Wissen um Qualitätskriterien für mediale Lern- und Spielangebote, Verständnis für das Medienumfeld von Kindern, aber auch die eigene Medienkompetenz, technische Kenntnisse sowie Orientierungshilfen bei missbräuchlicher Mediennutzung.

Medienbildung muss indes in das erzieherisch-pädagogische Konzept einer Einrichtung eingebettet werden. Dabei sollen auch Fragen der medialen Ausstattung geklärt werden.

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Tipps für den Alltag

  • Kleinkinder brauchen Aufmerksamkeit und volle Zuwendung. Verzichten Sie in Ihrer Gegenwart auf Bildschirmmedien wie Smartphone, Tablet oder Computer.
  • Mediale Projekte stehen nicht in Konkurrenz zu non-medialen Aktivitäten. Sie ergänzen diese und werden gezielt unter medienpädagogischen Aspekten eingesetzt.
  • Kinder im Vorschulalter verstehen nur Themen, die sie kennen. Achten Sie deshalb auf eine kontrollierte und ausgewogene Nutzung.
  • Die eigene Auseinandersetzung mit digitalen Möglichkeiten bildet die Basis für wertvolle medienpädagogische Erlebnisse. Probieren Sie Lernmedien, Apps, Spiele und kreative Anleitungen aus.
  • Bieten Sie dem Kind die Möglichkeit, Gesehenes zu verarbeiten – durch Ertasten, Beobachten, Hören, Erforschen, Schmecken oder Riechen. So lernt das Kind, neu erworbenes Wissen zu erfahren und in seine eigene Welt einzuordnen.
  • Medien für kleine Kinder sollten folgende Kriterien erfüllen: Einfache Erzählmuster, kindgerechte Darstellungen bzw. Figuren und Inhalte, die neugierig machen, die Fantasie anregen oder dazu animieren, etwas selbst zu machen.
  • Kinder reagieren unterschiedlich auf Medieninhalte. Achten Sie deshalb auf das individuelle Verhalten: Wie geht es den Kindern? Welche Bedürfnisse stehen im Vordergrund (Unterhaltung, Entspannung, etc.)? Welche Themen sind von Interesse? Wie sind Entwicklungsstand und Tagesform der einzelnen Kinder?
  • Medien sind keine Babysitter. Es braucht die ständige Begleitung durch Erwachsene.
  • Als Mittel der Belohnung oder Bestrafung eingesetzt, erhalten Medien eine zu grosse Bedeutung.
  • Für kleine Kinder sind feste Zeiten besonders wichtig, weil sonst eine Überreizung droht.
  • Informieren Sie sich über die verschiedenen Risiken: → exzessive Mediennutzung,  ungeeignete Inhalte wie → Gewaltdarstellungen oder → Pornografie.

Wichtig

Kinder reagieren unterschiedlich auf Gesehenes und Erlebtes.

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Weitere nützliche Infos

  • mediolino:  Bildungsangebote für Betreuungspersonen und Einrichtungen zu Medienbildung im Frühbereich
  • Gutes Aufwachsen mit Medien:  Initiative für pädagogische Fachkräfte und Eltern
  • Meko-Kita: medienpädagogische Anregungen zum Thema Medienarbeit in Kitas