Papi, ich möchte Influencerin werden

| Bettina Bichsel

Sie sind cool und geben die neuesten Trends vor. Influencer*innen begeistern mit ihren Fotos, Videos und Blogs gerade Jugendliche, die ihnen nacheifern möchten. Was also, wenn Ihr Kind plötzlich den Wunsch hegt, selbst ein Social-Media-Star zu werden?

Die erfolgreichsten Influencer*innen sind Prominente wie Cristiano Ronaldo, Justin Bieber oder Ariana Grande, die sich auch ausserhalb der sozialen Netzwerke bereits einen Namen gemacht haben und Millionen verdienen. Seit den 2000er Jahren und mit zunehmender Popularität von Plattformen wie Instagram, TikTok oder YouTube hat aber auch die Zahl derer zugenommen, die rein über ihre digitale Präsenz Bekanntheit erlangt haben – vor allem in den Themenbereichen Schönheit, Mode, Lifestyle, Fitness, Ernährung, Gesundheit oder Reisen.

Grosse Reichweite und begeisterte Fans

Laut Definition sind verschiedene Aspekte ausschlaggebend, um als Influencerin oder Influencer zu gelten:

  • die regelmässige Veröffentlichung von Fotos, Videos oder Blogbeiträgen in digitalen Medien, hauptsächlich in sozialen Netzwerken
  • eine grosse Fangemeinde, das heisst viele Followerinnen und Follower, die die Posts liken, kommentieren und weiterverbreiten
  • Einfluss auf die Vorlieben, Ansichten oder das Konsumverhalten der Fans

Ihre Bekanntheit und Reichweite machen Influencer*innen auch für Unternehmen attraktiv. Sie werden dafür bezahlt, dass sie in ihren Posts bestimmte Marken oder Produkte bewerben. Für die Social-Media-Stars ist das eine lukrative Einkommensquelle – und bei Jugendlichen kann so schnell der Eindruck entstehen, dass man als YouTuber oder Instagram-Influencerin ganz leicht reich und berühmt wird. Ein neuer Traumberuf also?

Die meisten Jugendlichen hierzulande scheinen eher realistisch zu sein. Bei den Berufsberatungsstellen ist das Thema, wenn überhaupt, höchstens ein Randphänomen. Martin Gabathuler beispielsweise, der als Berufs-, Studien- und Laufbahnberater im Laufbahnzentrum der Stadt Zürich tätig ist, sagt im Gespräch, dass weder bei ihm noch bei seinen Kolleginnen und Kollegen der Berufswunsch bisher konkret aufgetaucht sei – nicht in Einzelberatungen und auch nicht bei Infoveranstaltungen in Schulen. Was er hingegen schon beobachtet, ist, dass Berufsbildungen im Medienbereich (z. B. Mediamatiker*in oder Interactive Media Designer*in) sich einer steigenden Beliebtheit erfreuen.
 

Vorstellungen decken sich oft nicht mit der Realität

Peter Eberle, Berufs-, Studien- und Laufbahnberater im Berufsberatungs- und Informationszentrum Langenthal, berichtet von vereinzelten Kontakten zu jungen Erwachsenen, die den Wunsch hatten, Influencer*in zu werden. Er kann sich auch vorstellen, «dass sich die Jugendlichen vielleicht nicht trauen, einen solchen Berufswunsch zu äussern, weil Lehrer, Eltern und Berufsberatende das als unrealistisch betrachten». Darum plädiert er dafür, erst einmal offen ins Gespräch zu gehen: «Ich finde es wichtig, mit den Jugendlichen über Berufsideen und Vorbilder zu sprechen. Dabei geht es auch um Ängste und Sehnsüchte. Und einzelne schaffen ja den Sprung trotzdem; die Hoffnung sollte man ihnen nicht gleich nehmen.»

Für beide Experten ist allerdings ein Realitätscheck wichtig. Denn oftmals hätten die Jugendlichen schlicht falsche Vorstellungen davon, was sie tatsächlich erwarten würde. «Ich sehe das auch bei anderen Berufen», erklärt Martin Gabathuler. «Jugendliche sehen zum Beispiel einen Hollywoodfilm, in dem Hacker vorkommen. Und dann möchten sie mit dieser Idee im Kopf Informatiker werden.» Es gelte also zunächst einmal nachzufragen, wie sich die Jugendlichen die Tätigkeit und den konkreten Arbeitsalltag von Influencer*innen vorstellen.

Nichts für Ungeduldige

Einen Einblick geben kann Michèle Krüsi. Unter ‚the fashion fraction‘ ist sie seit 2010 auf verschiedenen Kanälen präsent. Auf Instagram hat sie inzwischen über 470‘000 Follower*innen. Ihr Fazit:

Es gibt leider kein Geheimrezept für den Erfolg und nur wenige können schlussendlich wirklich von der Arbeit leben.

Michèle Krüsi, Influencerin

Was aus ihrer Sicht auf jeden Fall nötig ist: Spass, weil man nur so auch andere dafür begeistern kann. Und: Ausdauer. Denn es gilt, regelmässig für Content zu sorgen, Nachrichten zu beantworten, auf Kommentare einzugehen und mit Kooperationspartnern zu verhandeln. «Es steckt auf jeden Fall sehr viel Arbeit dahinter», so Michèle Krüsi. «Und es gibt keine Garantie für Erfolg.»

Gerade weil es keine vorgefertigte Lösung gibt, wie sich eine ausreichende Fangemeinde aufbauen lässt, um mit dem eigenen Kanal auch wirklich Geld zu verdienen, sieht sie den Gedanken einer möglichen Influencer-Lehre als eher kritisch. Es mache viel mehr Sinn, sich eine Basis zu schaffen, indem man eine Ausbildung in einem Bereich wie Grafik, Fotografie, Modedesign, Marketing oder Social Media absolviere, und nebenbei auf Instagram, YouTube oder TikTok aktiv zu werden.

Diese Einschätzung deckt sich auch mit den Empfehlungen der Berufsberatenden. Dass man also zunächst in einer anerkannten Berufsbildung die grundlegenden Fähigkeiten erlernt, die man auch als Social-Media-Star benötigt. Und wenn sich der Erfolg einstellt, lässt sich das Hobby immer noch zum Beruf machen.

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Auf www.berufsberatung.ch gibt es Informationen zu Kursen und Weiterbildungen als Digital Influencerin oder Fashion Influencer. Es handelt sich nicht um anerkannte Berufe. Für die Teilnahme wird oft eine abgeschlossene Ausbildung vorausgesetzt.

Bettina Bichsel ist Journalistin und Texterin. Sie schreibt und bloggt unter anderem für Jugend und Medien.