4 Jugendliche die auf dem Boden sitzen oder liegen und alle an einem Laptop, auf einem Tablet oder an einem Smartphone sind.

Was Kinder wann lernen – und wie das den Umgang mit digitalen Medien prägt

Kinder entwickeln sich rasant. Mit jedem Jahr kommen neue Fähigkeiten und Dinge hinzu, die sie lernen. Das beeinflusst auch den Umgang mit digitalen Medien. Unser Überblick hilft, Kinder altersgerecht zu begleiten.

Kinder entwickeln sich rasant. Mit jedem Jahr kommen neue Fähigkeiten und Dinge hinzu, die sie lernen. Das beeinflusst auch den Umgang mit digitalen Medien. Unser Überblick hilft, Kinder altersgerecht zu begleiten.

Kaum sind wir auf der Welt, beginnt das grosse Lernen: Ein Baby entdeckt seine Umgebung, versteht, dass Mama und Papa auch dann noch da sind, wenn sie gerade nicht zu sehen sind – und gewinnt so Vertrauen in die Welt. Später geht es darum, Laufen zu lernen, Freundschaften zu schliessen, einen Schulabschluss zu schaffen, herauszufinden, wer man eigentlich ist, und Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen.

In der Entwicklungspsychologie und Pädagogik sprechen wir von sogenannten Entwicklungsaufgaben – ein Begriff, der unter anderem vom amerikanischen Erziehungswissenschaftler Robert James Havighurst geprägt wurde. In jeder Altersphase stehen Kinder und Jugendliche also vor Aufgaben, die sie bewältigen müssen, um weiterzukommen. Gelingt das, stärkt das ihr Selbstvertrauen und ihre Selbstständigkeit.

Diese Aufgaben wirken sich auch auf die Mediennutzung aus: Ein Kind, das gerade lernt, Regeln zu verstehen, braucht andere Unterstützung als eine Jugendliche, die sich online mit ihrer Identität auseinandersetzt.

Das zu wissen hilft, Kinder bei ihren Erfahrungen im digitalen Raum bestmöglich zu unterstützen

0–3 Jahre: mit allen Sinnen erleben und entdecken

Babys und Kleinkinder brauchen vor allem Nähe und Zuwendung. Sie wollen direkt mit Menschen in Kontakt sein und ihre Umgebung mit allen Sinnen entdecken. Erste Greifbewegungen auf dem Bildschirm lösen zwar manchmal Effekte aus – aber eher zufällig. Digitale Medien können schnell überfordern.

Ab etwa einem Jahr beginnen Kinder, einfache Bildergeschichten zu verstehen – vor allem, wenn sie sich auf vertraute Situationen beziehen und an den eigenen Alltag anknüpfen. Darin erkennen Kinder sich wieder und können so eigene Erlebnisse besser verstehen. Ausserdem schauen sich Kleinkinder gerne Fotos und Videos an von sich selbst oder von Menschen, die sie kennen. Auch das sorgt für einen Wiedererkennungseffekt und schafft Bezug zur eigenen Wahrnehmung. Wichtig ist, dass solche Medienerfahrungen kurz und begleitet bleiben.

3–6 Jahre: Fantasie, Emotionen und erste Autonomie

Kinder im Vorschulalter probieren sich aus – im Spiel, in der Sprache, im Umgang mit anderen. Sie denken sich gerne Geschichten aus, stellen viele Fragen und wollen verstehen, wie die Welt funktioniert. Digitale Medien können diese Entwicklung unterstützen: Mit Hörspielen, Bilderbuch-Apps oder kurzen Videos lernen Kinder neue Wörter, bekommen Impulse für Rollenspiele oder verstehen einfache Zusammenhänge. Wichtig ist, dass die Inhalte kindgerecht sind – und dass Erwachsene sie begleiten, auch im Gespräch. Gerade bei neuen Serien oder Filmen ist es gut, wenn Eltern erst mal mitschauen.

Auch das Verständnis, wie ein Tag abläuft und dass gewisse Dinge geplant werden, entwickelt sich. Jetzt kann man Kinder in einfache Entscheidungen einbeziehen, etwa: Wann ist Medienzeit? Das stärkt ihr Gefühl von Mitbestimmung.

Nicht zuletzt ist es eine sehr emotionale Phase: Gefühle wollen durchlebt werden. Empathie wird gelernt. Geschichten über Mut, Angst, Trauer, Wut helfen, Gefühle zu benennen und sich in andere hineinzuversetzen. Gleichzeitig sollten Kinder lernen, was sie tun können, wenn sie etwas erschreckt: Augen zu, das Tablet ausschalten, Mama oder Papa holen – solche Strategien geben Sicherheit und können geübt werden.

Kinder möchten zeigen, was sie schon können, und eigene Entscheidungen treffen – auch bei der Mediennutzung.

6-10 Jahre: Selbstständiger werden, begleitet bleiben

Mit dem Schuleintritt beginnt eine neue Phase: Kinder wollen mehr selbst machen und entdecken digitale Medien bewusster. Sie können erste Texte lesen, schreiben eigene Nachrichten oder suchen nach ihren Lieblingsthemen. Noch können sie Inhalte nicht immer richtig einordnen – umso wichtiger sind Erwachsene, die dabei helfen.

Auch das Selbstbewusstsein wächst: Kinder möchten zeigen, was sie schon können, und eigene Entscheidungen treffen – auch bei der Mediennutzung. Sie wollen selbst auswählen, was sie schauen oder spielen, und zunehmend alleine mit digitalen Geräten umgehen. Das ist eine gute Gelegenheit, ihnen Verantwortung zuzutrauen. Medienregeln sollen gemeinsam vereinbart werden: Wann darf ich was schauen? Warum gibt es Einschränkungen? Kinder verstehen Regeln besser, wenn sie mitreden dürfen und Erklärungen bekommen.

Freundschaften werden wichtiger – auch in Bezug auf die digitale Welt. Kinder sprechen über Serien, Spiele oder Lieblings-Apps. Vielleicht kommt der Wunsch auf, mit anderen zu gamen oder ein eigenes Handy zu haben. Dabei ist es wichtig, gemeinsam zu klären, was sinnvoll ist – und wie sich Kinder sicher im Netz bewegen können.

10–14 Jahre: Abgrenzung und Neuorientierung

In diesem Alter fühlen sich Kinder schon ziemlich erwachsen. Sie entwickeln eigene Meinungen, testen Grenzen aus und lösen sich langsam von den Eltern. Medien spielen dabei eine zentrale Rolle – zur Orientierung, zur Selbstdarstellung und als Teil sozialer Zugehörigkeit.

Stars und Influencerinnen treten an die Stelle kindlicher Vorbilder. Social Media, Games und Streamingdienste liefern Gesprächsstoff. Jugendliche vergleichen sich, entdecken neue Interessen und suchen Gruppen, in denen sie sich zugehörig fühlen – auch online. Medien helfen ihnen, gesellschaftliche Rollen kennenzulernen, auszuprobieren oder abzulehnen.

Auch Verliebtsein, körperliche Veränderungen und Sexualität rücken in den Fokus. Jugendliche machen erste Erfahrungen, spüren Unsicherheiten. Deshalb sollen Themen wie Schönheitsideale, aber auch Sexting und Pornografie thematisiert werden.

Die elterliche Begleitung verändert sich: Statt Kontrolle sind jetzt Vertrauen, Gesprächsbereitschaft und klare Haltungen gefragt. Es geht weniger um feste Bildschirmzeiten, sondern um medienfreie Räume (z. B. während der Mahlzeiten oder nachts) und das gemeinsame Reflektieren: Was tut mir gut? Was verunsichert mich? Was will ich zeigen – und was lieber nicht?

Auch wenn Jugendliche nach aussen oft selbstsicher wirken, ist es wichtig zu wissen, dass sie sich im Zweifel an jemanden wenden können.

14-18 Jahre: Selbstverantwortung und reflektierte Mediennutzung

Jugendliche wollen in dieser Phase vor allem eins: unabhängig sein. Entsprechend ist auch die Mediennutzung zunehmend selbstbestimmt: Jugendliche informieren sich, tauschen Meinungen aus oder gestalten eigene Inhalte. Dabei spielt Verantwortung eine grosse Rolle: für die eigene Privatsphäre, für den Umgang mit anderen und für das, was man online sichtbar macht.

Erwachsene treten stärker in den Hintergrund, bleiben aber wichtig. Nicht als Kontrolleure, sondern als Vertrauenspersonen. Auch wenn Jugendliche nach aussen oft selbstsicher wirken, ist es wichtig zu wissen, dass sie sich im Zweifel an jemanden wenden können. Erwachsene sollen Rückhalt bieten, gerade wenn digitale Erfahrungen überfordern oder Grenzen überschritten werden. Und sie können als Gesprächspartner auch kritisch zur Reflexion anregen. Begleitung hört nicht auf, auch wenn mit dem 18. Geburtstag die rechtliche Selbstverantwortung kommt.

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Bettina Bichsel ist Journalistin und Texterin. Sie schreibt und bloggt unter anderem für Jugend und Medien.