Ein Laptop, ein Smartphone, ein Tablet und Zeitschriften die auf einem Tisch liegen.

Wallis: Wie eine kantonale Strategie Kinder, Eltern und Fachleute stärkt

Das Ziel war klar: Wenn es um den Umgang von Kindern und Jugendlichen mit digitalen Medien geht, sollten von Oberwald im Goms bis nach Le Bouveret am Genfersee dieselben Kernbotschaften vermittelt werden. Dafür hat der Kanton Wallis 2023 die kantonale Strategie zur Bildung von Medienkompetenz lanciert. Was wurde erreicht? Wir haben nachfragt.

Das Ziel war klar: Wenn es um den Umgang von Kindern und Jugendlichen mit digitalen Medien geht, sollten von Oberwald im Goms bis nach Le Bouveret am Genfersee dieselben Kernbotschaften vermittelt werden. Dafür hat der Kanton Wallis 2023 die kantonale Strategie zur Bildung von Medienkompetenz lanciert. Was wurde erreicht? Wir haben nachfragt.

Überlegungen zu einer kantonalen Medienkompetenz-Strategie begannen schon früher, doch 2019 rückte das Thema verstärkt in den Fokus. Denn COVID-19 führte zu einem sprunghaften Anstieg der Bildschirmzeit, sei es durch Fernunterricht, digitale Freizeitgestaltung oder soziale Medien.

Eine Bedürfnis- und Bedarfsanalyse sollte Aufschluss darüber geben, was in dem Bereich bereits gemacht wurde – und wo Lücken bestanden. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf folgenden Fragen:

  1. Wie können Eltern mit Kleinkindern (im Alter von 0 bis 4 Jahren) sensibilisiert werden?
  2. Welche Unterstützung brauchen Schulen, um Kinder und Jugendliche nachhaltig zu begleiten?
  3. Wie erreicht man gezielt vulnerable Gruppen, die sich bislang wenig mit dem Thema Medienerziehung auseinandergesetzt haben?

Gemeinsames Vorgehen: sinnvoll und wirksam

Denise Ruffiner ist Präventionsbeauftragte bei der Gesundheitsförderung Wallis und verantwortlich für die Koordination der Strategie im deutschsprachigen Kantonsteil. Sie unterstreicht die fruchtbare Zusammenarbeit mit allen involvierten Akteuren aus den Bereichen Bildung, Gesundheit und Prävention. Es sei klar, dass alle am gleichen Strick ziehen: «Die enge Zusammenarbeit und der interdisziplinäre Ansatz werden geschätzt. Alle profitieren von den Beiträgen des jeweils anderen.»

Einer der Präventionsakteure, der in die kantonalen Strategie eingebunden wurde, ist der Verein Declick, der mit seinen Angeboten die Theorie in die Praxis bringt:

  • Eine empfohlene Veranstaltung für alle 9. Klassen im Kanton (als Teil der Strategie). Thematisiert werden u.a. Datenschutz, soziale Medien oder Gaming.
  • Zusätzliche Workshops für andere Stufen (Primar- und Sekundarstufe II)
  • Weiterbildungen für Lehrkräfte und andere Fachpersonen
  • Veranstaltungen für Eltern (Vorträge an Schul-Elternabenden, Eltern-Kind-Workshops, kostenlose Sprechstunden)


Die Nachfrage seitens der Schulen (auch für Nicht-Pflichtveranstaltungen) ist gross. Jährlich erreicht Declick so laut Direktor Martin Tazlari über 350 Klassen und 7000 Schüler*innen. Wichtig ist ihm und seinem Team, praxisnah zu bleiben, also die behandelten Themen an die Alltagsrealitäten von Kindern, Jugendlichen und Eltern anzupassen. Während es bei jüngeren Kindern vorab um Bildschirmzeiten und Altersempfehlungen geht, kommen bei älteren Themen wie die Selbstdarstellung in sozialen Medien, der Umgang mit persönlichen Daten, Risiken wie Sexting oder Suchtmechanismen zur Sprache.

Reden statt verbieten und bestrafen

Eine der wichtigsten Botschaften in der Arbeit von Declick insbesondere an Eltern: Bleibt im Dialog! «Manchmal denken Eltern vielleicht angesichts der Technik: Das ist zu kompliziert für mich. Ich verstehe sowieso nicht, was mir meine Kinder sagen», sagt Martin Tazlari. «Während auf der anderen Seite Kinder vielleicht Angst haben, mit den Eltern über gewisse Dinge zu sprechen.» Er schildert den Fall einer Jugendlichen, die auf Instagram ein Nacktfoto von einem Fremden erhalten hat, aber ihren Eltern nichts davon erzählte, weil sie Angst hatte, dass ihre Eltern ihren Account löschen würden. Darum der Appell: Zuhören, sich erklären lassen, im Austausch bleiben.

Vier zentrale Säulen der Medienkompetenzförderung

Genau hier setzt die kantonale Strategie mit ihren vier Achsen an:

Dialog fördern:
Eltern werden ermutigt, sich für die Medienwelt ihrer Kinder zu interessieren, sie zu begleiten und selbst als Vorbilder zu agieren. Kinder und Jugendliche wiederum sollen lernen und vor allem die Sicherheit haben, über ihre digitalen Erfahrungen zu sprechen.

Eigenverantwortung stärken:
Von der frühen Kindheit bis ins junge Erwachsenenalter sollen Heranwachsende schrittweise mehr Verantwortung für ihr digitales Verhalten übernehmen.

Sicheren Rahmen schaffen:
Klare Regeln und Orientierungshilfen helfen, digitale Medien altersgerecht zu nutzen.

Chancen nutzen:
Digitale Medien bieten nicht nur Risiken, sondern auch viele Möglichkeiten für Lernen, Kreativität und sozialen Austausch. Diese Chancen sollen bewusst gefördert werden.

Herausforderungen und Blick in die Zukunft

Eine der grössten Herausforderungen, da sind sich Denise Ruffiner und Martin Tazlari einig, bleibt die Frage, wie man Eltern erreicht, die sich bislang wenig mit Medienkompetenz und Medienerziehung auseinandergesetzt haben. Zwar stellt Denise Ruffiner Verbesserungen fest, indem neben kantonalen Akteuren wie dem Zentrum für Entwicklung und Therapie und weiteren Organisationen auch Hebammen, Ärztinnen und Ärzte oder das Projekt Femmes-Tische – Männertische einbezogen wurden.

Wesentliches Element ist das «ABC der Medienkompetenz», bestehend aus sechs Boxen, die es ermöglichen, spielerisch verschiedene Medienthemen (Bildschirme zu Hause, Bildschirmzeit, Entwicklung, Altersempfehlungen etc.) anzugehen.

Dennoch bleibt das Frage, wie besonders vulnerable Gruppen erreicht werden können, präsent. So gibt es bei Veranstaltungen in Schulen laut Declick immer wieder das Problem, dass Eltern nicht erscheinen, sei es wegen sprachlicher Barrieren oder aus anderen Gründen. Deshalb wird derzeit eine digitale Eltern-Plattform entwickelt, die kurze, interaktive Lernangebote zu verschiedenen Medienthemen bieten wird. «Wir wollen den Eltern so ermöglichen, sich flexibel von zu Hause aus zu informieren», erklärt Martin Tazlari.

Vorbild für andere Kantone?

Die kantonale Strategie wird zudem regelmässig evaluiert und weiterentwickelt. Neue Projekte, etwa eine Botschaft zum Thema Medienkompetenz als Teil der kantonalen Baby-Geschenkbox für frisch gebackene Eltern, spezifische Angebote für Jugendliche im Freizeitbereich oder eine Woche ohne Bildschirme an Schulen, sind bereits in Planung. Und das Interesse aus anderen Kantonen zeigt, dass das proaktive Vorgehen Modellcharakter hat.

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Weitere Informationen:

Webseite des Kantons Wallis zur → Medienkompetenz-Strategie
Angebote von → declick

Bettina Bichsel ist Journalistin und Texterin. Sie schreibt und bloggt unter anderem für Jugend und Medien.