Eine Jugendarbeiterin, welche den Kindern etwas auf dem Smartphone erklärt.

Kreativ werden und mitgestalten – mediale Jugendarbeit

Digitale Medien erfüllen wichtige Funktionen im Alltag von Jugendlichen. Für die ausserschulische Jugendarbeit entsteht daraus ein grosses Potenzial, digitale Medien sowohl als Kommunikationsmittel mit den Heranwachsenden, aber auch als Organisationsinstrument sowie als Gesprächs- und Arbeitsthema zu nutzen. Aber was genau heisst das für die Praxis? Wie werden digitale Medien sinnvoll in die Arbeit integriert? Wie können digitale Experimentierräume geschaffen werden? Welche Rahmenbedingungen sind für die aktive Medienarbeit nötig? Welche Chancen ergeben sich daraus? Und welche Risiken sind gleichzeitig zu beachten?

90%
der Jugendarbeitenden in Österreich werden von Jugendlichen zu medialen Gefahren angesprochen. (Screenagers 2016)
85%
der Jugendarbeitenden erleben Jugendliche grundsätzlich als kompetente Mediennutzer, die aber dazulernen können. (Screenagers 2016)
86%
der Jugendarbeitenden sind überzeugt, dass Jugendliche durch digitale Medienarbeit neue Handlungsmöglichkeiten entdecken. (Screenagers 2016)
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Gut zu wissen

Medien erfüllen im Alltag von Jugendlichen verschiedene wichtige Funktionen: Sie dienen der Kommunikation und Beziehungspflege, bieten Raum für Erlebnis, Austausch und Teilhabe. In und durch digitale Medien finden Jugendliche neue Perspektiven auf die Welt sowie die Möglichkeit, ihre Identitäten zu entwickeln und entdecken. Dies wird umso wichtiger, als in der Pubertät ein Ablösungsprozess von den Eltern stattfindet. Digitale Medien werden so zur Sozialisationsinstanz, neben Familie, Schule und Gleichaltrigen. Hinzu kommt, dass heutige Generationen, die so selbstverständlich mit digitalen Medien aufwachsen, kaum mehr zwischen On- und Offline-Welten unterscheiden. Beide durchdringen sich.

Darüber hinaus haben Medien schon immer eine wesentliche Rolle bei der Herausbildung von Jugendkulturen gespielt. Was früher Radio oder Kino waren, übernehmen heute einfach digitale Medien.

Jugendarbeit leistet einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung, Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und gesellschaftlichen Teilhabe von Jugendlichen. Das gelingt am besten, indem sie an die Interessen, Bedürfnisse und Lebenswelten der Heranwachsenden anknüpft.

Als ergänzender Bildungsort neben Familie, Schule und Ausbildungsplatz bietet Jugendarbeit den optimalen Raum zur Förderung der Medienkompetenz. Das gilt insbesondere für die offene Jugendarbeit, deren Angebote von den Jugendlichen freiwillig genutzt und aktiv mitgestaltet werden können. So entstehen Möglichkeiten der kreativen Mediennutzung, aber auch der kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Mediengebrauch und der Bedeutung einer immer digitalisierteren Gesellschaft.

Wie eine österreichische Studie im Rahmen des internationalen Projekts «Screenagers» zeigt, können gerade Jugendarbeiter*innen zu wichtigen Bezugspersonen werden, wenn es um digitale Themen und Erfahrungen geht: «Einerseits, weil ihnen (im Vergleich zu anderen Erwachsenen, Eltern oder Lehrpersonen) häufig eine grössere Nähe zu den medialen Lebenswelten zugetraut wird. Andererseits, weil ihnen (von den Heranwachsenden) oft viel Vertrauen entgegengebracht wird. [...] Jugendarbeiter*innen werden in den Gesprächen mit Jugendlichen mit allem konfrontiert, was diese in den Medienwelten gerade beschäftigt, irritiert oder überfordert.» Dadurch werde eine zentrale Grundlage geschaffen, denn medienpädagogische Interventionen seien nur wirksam, wenn eine Vertrauensbasis gegeben sei. (Screenagers, 2016)

Nicht zuletzt können durch die Integration digitaler Medien oder sozialer Netzwerke in die Jugendarbeit selbst – unter Berücksichtigung von Datenschutzaspekten – Kommunikationskanäle geschaffen werden, um Jugendliche in ihrer Kommunikationsform abzuholen. Online- und Offline-Interaktionen können sich so ergänzen. In der oben zitierten Studie zeigte sich eine grosse Mehrheit der befragten Jugendarbeiter*innen überzeugt, dass digitale Medien eine methodische Bereicherung darstellen und ihr Einsatz dazu beiträgt, attraktive zeitgemässe Angebote zu schaffen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wären für sie neben Fortbildungen insbesondere die nötigen Zeitressourcen wünschenswert, um neue Programme, Methoden oder Geräte ausprobieren zu können.

Eine Expertengruppe der EU hat im Rahmen des Arbeitsplans für die Jugend einen Bericht zur Entwicklung der digitalen Jugendarbeit verfasst. Darin hat sie neben politischen Empfehlungen auch formuliert, was unter digitaler Jugendarbeit konkret zu verstehen ist: So wird festgehalten, dass die digitale Jugendarbeit nicht eine Jugendarbeitsmethode ist, sondern dass sie in irgendein Jugendarbeitssetting (offene Jugendarbeit, Jugendinformation und -Beratung, Jugendclubs, etc.) integriert werden kann. Digitale Jugendarbeit hat dieselben Ziele und auch dieselbe Ethik, Werte und Prinzipien wie die Jugendarbeit im Allgemeinen. Sie könne im persönlichen Direktkontakt sowie in Online-Umgebungen oder in einer Mischform stattfinden. Digitale Medien und digitale Technologie können entweder Tool, Aktivität oder Inhalt in der Jugendarbeit sein. Als praktische Einsatzmöglichkeiten werden in dem Bericht folgende Beispiele genannt:

  • Nutzung von Social Media zum Informationsaustausch
  • Online-Jugendberatung
  • Medienkompetenzen fördern
  • Partizipation mit digitalen Medien anregen
  • Kulturelle Jugendarbeit online unterstützen
  • Entwicklung von technologischen Fertigkeiten fördern
  • Online-Games in der Jugendarbeit einsetzen
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Potenzial digitaler Medien für die Jugendarbeit

...und damit für die Jugendarbeit prädestiniert. Jugendliche nutzen Medien zu unterschiedlichen Zwecken. Daraus ergibt sich das Potenzial für die Jugendarbeit:

  • Mediennutzung zur Alltagsbewältigung und Orientierung bei wichtigen (Verhaltens-)Fragen: Wie gestalte ich meine Beziehungen? Wie löse ich Konflikte? Solche Fragen bieten Anknüpfungspunkte für die Jugendarbeit und ihr Ziel, persönliche und soziale Kompetenzen zu fördern.
  • Medien als Wissens- und Informationsquellen: In Zeiten von → Fake News und Manipulationsmöglichkeiten braucht es mit Blick auf eine mündige gesellschaftliche Teilnahme eine kritische Reflexion medialer Darstellungsformen. Die Jugendarbeit kann Jugendliche dabei unterstützen zu lernen, wie der Wahrheitsgehalt von Informationen geprüft und Relevantes von Nicht-Relevantem unterschieden werden kann.
  • Mediennutzung zur Entwicklung der Medienkompetenz: Werden die vielfältigen Möglichkeiten, welche digitale Medien bieten, gefördert, entwickeln sich kreative, interaktive Kompetenzen, die sich aus einer eher passiven, konsumorientierten Haltung kaum ergeben.


Dieses Potenzial kann sich die Jugendarbeit zunutze machen, wobei auch zu berücksichtigen gilt, dass die Jugendlichen teilweise über einen sehr unterschiedlichen Grad an Medienkompetenz verfügen. Neben einer differenzierten, bedürfnisorientierten Förderung von Medienkompetenz entstehen daraus auch Möglichkeiten für die Peer-Education.
→ Tipps für den Alltag

Die Jugendarbeit ist Begegnungs-, Kommunikations-, Spiel- und Lernfeld in einem. Sie erlaubt es Jugendlichen, Schlüsselkompetenzen für die individuelle Entwicklung, die Stärkung ihrer Persönlichkeit und eine erfolgreiche gesellschaftliche Partizipation zu entwickeln. Damit dies gelingt, braucht es Selbstbestimmung, Eigenverantwortung sowie Integrations- und Handlungsfähigkeiten. Durch eigene Erfahrungen, durch Ausprobieren und Beteiligen werden soziale Fähigkeiten angeeignet. Aktive Medienarbeit setzt hier an. Dabei können die Heranwachsenden selbst gestalterisch aktiv werden, Themen mittels Medien bearbeiten und präsentieren, diskutieren und reflektieren.

Messenger-Dienste, soziale Netzwerke, Chats: → Kommunikation findet für Jugendliche zu grossen Teilen online statt. Einrichtungen der Jugendarbeit können diese Kanäle ebenso nutzen, um mit Jugendlichen zu kommunizieren – etwa um ihre Informationen z. B. Angebote, Veranstaltungen oder Präventionsbotschaften zu verbreiten. Online- und Chatberatungen bieten zudem niederschwellige Möglichkeiten, damit Jugendliche in Kontakt treten können, denn anonym fällt es oft leichter, über ein belastendes Thema zu sprechen.

Aber auch die Zusammenarbeit auf fachlicher Ebene erleichtern digitale Medien. Onlineplattformen dienen dem Austausch und der Vernetzung zwischen Institutionen und Fachleuten der Jugendarbeit. Ein Beispiel ist das von der Fachhochschule Nordwestschweiz umgesetzte Projekt «Schlüsselsituationen», ein Onlineforum, auf dem Praxisfälle der sozialen Arbeit dokumentiert und diskutiert werden. → Weitere nützliche Infos

Wichtig

Medienkompetenz wird durch das eigene Gestalten und Erleben gefördert. Schaffen Sie Experimentierräume!

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Tipps für den Alltag

Wie genau soll das Thema «digitale Medien» in der Praxis umgesetzt werden? Was sind die Ziele? Welche Ressourcen sind notwendig? Diese und andere grundlegende Fragen müssen in jeder einzelnen Institution beantwortet und in einem Konzept festgehalten werden, um aktive Medienarbeit als integralen Bestandteil der Jugendarbeit zu verankern.

Um mit den Jugendlichen mithalten zu können, ist es zudem für Fachpersonen unabdingbar, am Mediengeschehen zu partizipieren, sich mit relevanten Aspekten auseinanderzusetzen und allenfalls weiterzubilden. Aus Sicht der im Rahmen des Arbeitsplans für die Jugend eingesetzten EU-Expertengruppe gehören dazu insbesondere folgende Themenbereiche:

  • Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft, auf Jugendliche und die Arbeit mit Heranwachsenden, insbesondere im Sinn einer aktiven Teilhabe
  • Konzeption, Planung und Evaluation digitaler Jugendarbeit
  • Förderung der Medienkompetenz mit Blick auf eine kritische Auseinandersetzung mit digitalen Inhalten
  • Kommunikation und Verhaltensweisen in der digitalen Welt, nicht zuletzt bei Themen wie → Cybermobbing, → Hate Speech oder anderen Vorfällen
  • Digitale Kreativität als Form der individuellen Ausdrucksfähigkeit und Partizipation (→ Kommunizieren)
  • Aspekte der → Sicherheit und des Datenschutzes
  • Reflektion und Know-how-Austausch mit anderen Fachleuten und Institutionen

Selber kreativ werden, sich einbringen, mitgestalten – aktive Medienarbeit fokussiert auf die Handlungsfähigkeit und das eigene Erleben von Jugendlichen.

Projekte zur Förderung der Medienkompetenz orientieren sich an folgenden Qualitätsmerkmalen:

  • Im Projekt werden sowohl Risiken wie auch Chancen digitaler Medien zum Gegenstand der Auseinandersetzung. Technische Elemente (z. B. Videos herstellen) werden im Projekt berücksichtigt.
  • Die Themen orientieren sich an der Mediennutzung der Jugendlichen.
  • Soziale Medienkompetenzen werden gefördert, indem Risiken der digitalen Beziehungsgestaltung wie auch neue Möglichkeiten von Partizipation, Kooperation und Solidarität diskutiert werden.
  • Vielfältiges und kritisches Wissen über Zusammenhänge der Medienwelt fliesst in die Projekte ein.

 

Weitere Informationen dazu finden Sie in unserer Broschüre → Medienkompetenzen und Peer-Education/-Tutoring

Form und Ausmass der eigenen Mediennutzung hängt bei Jugendlichen auch stark davon ab, wie ihre gleichaltrigen Bezugspersonen Medien nutzen. Die Peer-Group dient als Orientierung, aber auch als Informationsquelle bei Fragen rund um digitale Medien. Diese Tatsachen können pädagogisch genutzt werden.

Bei der Ausgestaltung von Peer-Involvement-Projekten stehen folgende Qualitätsmerkmale im Vordergrund:

  • Entwicklung einer Kultur des Peer-Involvements
  • Bottom-up-Vorgehen: Entwicklung von Zielen, Rollen und Verfahren gemeinsam mit den Jugendlichen (partizipativ)
  • Konzeptuelle Verankerung von Partizipation: Planung von Freiräumen und Flexibilität
  • Begegnung von Erwachsenen und Jugendlichen auf Augenhöhe
  • Intensive Ausbildung und Coaching von Peer-Educators/-Tutors
  • Persönliche Beteiligung und aktive Rolle der Peers
  • Breite Auseinandersetzung mit der gewählten Thematik
  • Heranziehen einer Fachperson
  • Gute Vernetzung des Projekts und Kooperation mit zuverlässigen und erfahrenen externen Projektpartnern


Weitere praktische Informationen zum Thema → Peer-Education

Jugendarbeiter*innen sind für Jugendliche Ansprechpersonen, wenn beim Umgang mit digitalen Medien etwas passiert. Das gilt besonders für folgende Themen:

 

Datenschutz

Das Thema Datenschutz ist einerseits aus Sicht der Jugendarbeit-Praxis von grosser Bedeutung. Die Arbeit mit Heranwachsenden erfordert einen besonders sensiblen Umgang mit Daten, etwa bei Onlineberatungen. Aber auch unter den Jugendlichen sollte eine kritische Auseinandersetzung mit der Frage, welche Daten ich im Internet preisgebe und was mit ihnen geschieht, gefördert werden.
→ Sicherheit & Datenschutz

 

Cybermobbing

Jugendliche haben ihre eigene Form der Kommunikation und Ausdrucksweise. Oft werden dabei aber – unbewusst oder gezielt – Grenzen überschritten, mit teils gravierenden Folgen für die Betroffenen. Opfer von Cybermobbing-Attacken trauen sich aber oft nicht, darüber zu sprechen.
Umso wichtiger ist es, das Thema aufzunehmen und über Umgangsformen im digitalen Raum zu reden. Dabei ist es wichtig, die Perspektive der Jugendlichen einzubeziehen und geeignete Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Methoden zur Thematisierung von Cybermobbing und anderen Konflikten im Netz: → Weitere nützliche Infos (Themenspezifische Informationen)

Allgemeine Informationen zum Thema → Cybermobbing

 

Selbstdarstellung und Sexting

Pubertät ist die Zeit, in der man mit verschiedenen Identitäten spielt, sich ausprobiert und ein Image schaffen möchte, das bei anderen gut ankommt. Gerade soziale Netzwerke sind dafür eine wichtige Plattform. Dabei werden allerdings Fotos oft unreflektiert veröffentlicht. Wichtige Fragen gehen vergessen: Welches Bild möchte ich von mir selbst vermitteln? Welche Fotos veröffentliche ich? Wie würde das Bild wahrgenommen, wenn es ausserhalb meines Freundeskreises (Eltern, künftige Arbeitgeber, unbekannte Erwachsene) verbreitet würde? Würde ich das Bild in einem, zwei, fünf oder zehn Jahren immer noch gerne im Internet sehen? Die grundsätzliche Thematisierung der eigenen Darstellung ist dabei genauso bedeutend wie das Aufzeigen von Risiken (wie Sexting, wenn intime Bilder, die eigentlich nur für den Freund oder die Freundin gedacht waren, plötzlich weiterverbreitet werden).
Sexualität & Pornografie

Die Arbeit an der Schnittstelle zu Eltern und Erziehungsberechtigten, der Schule und der Kinder- und Jugendhilfe ist ganz zentral. Das gilt sowohl allgemein als auch rund um das Thema «digitale Medien». Mit welchen Massnahmen können Eltern abgeholt und einbezogen werden? Wo bestehen Kooperations- und Austauschmöglichkeiten mit Schule und Schulsozialarbeit? Wie können gemeinsame Projekte realisiert werden? Durch einen solchen Dialog und eine aktive Zusammenarbeit entstehen Wechselwirken zwischen den Bereichen der formalen, non-formalen und informellen Bildung.

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Weitere nützliche Infos

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