Erster nationaler Tag der Medienkompetenz. Der Veranstaltungssaal ist gefüllt.

Tag der Medienkompetenz 2011

Erster wichtiger Meilenstein für das nationale Programm Jugend und Medien

Am 27. Oktober 2011 wurde erstmals der Nationale Tag der Medienkompetenz durchgeführt: Die Veranstaltungen fanden grossen Zuspruch und lösten ein reges Medieninteresse aus. 20 Aussteller und verschiedene Live-Erlebnisse mit digitalen Medien boten einen spannenden Überblick über die aktuellen Entwicklungen sowie über die zahlreichen Akteure, die sich mit dem Thema Jugend und Medien befassen und im Bereich Jugendmedienschutz Verantwortung übernehmen. Dezentrale Anlässe in Lausanne, Luzern, St.Gallen, Zürich und in Locarno ergänzten den Hauptanlass in Fribourg.

Nationales Fachforum Jugendmedienschutz

Ein wichtiger Bestandteil des Nationalen Tags der Medienkompetenz war das Nationale Fachforum Jugendmedienschutz in Fribourg. Ziele des Fachforums waren:

  • einen Gesamtüberblick über die Themen und die Herausforderungen im Jugendmedienschutz in der Schweiz zu vermitteln,
  • Strategien und Massnahmen zur Förderung von Medienkompetenzen in unterschiedlichen Settings (Peers, Familie, Schule, Freizeit) zu diskutieren,
  • aktuelle Entwicklungstrends sowie Chancen und Gefahren von digitalen Medien zu untersuchen,
  • den Austausch und die Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteuren zu fördern.


250 Personen nahmen am Fachforum teil. Gemäss Auswertung der 95 retournierten Rückmeldebögen war ein Grossteil der Teilnehmenden zufrieden mit dem Tag der Medienkompetenz. Über 90% würden erneut teilnehmen.

→ Programm

Keynotes

Der Bundesrat betonte, dass im Rahmen des nationalen Programms Jugend und Medien nicht die Ausarbeitung neuer Verbotsregelungen, sondern die Förderung eines kompetenten Umgangs mit den Chancen und Gefahren von digitalen Medien im Vordergrund steht: "Die beste Antwort ist die aktive Begleitung der Medienaktivitäten von Kindern und Jugendlichen durch Erwachsene. Der Schlüssel dazu ist Bildung in Verbindung mit Vertrauen und Selbstverantwortung".

→ Ansprache BR Burkhalter

Computer sind heute eng mit der Pubertät verknüpft, beispielsweise über Computerspiele und Chat-Seiten. Auch wenn Computer einerseits manchen Jugendlichen Orientierung und Sinnfindung vermitteln, begünstigen die Neuen Medien andererseits zwanghafte Praktiken. Tisseron vertrat in seinem Referat die Meinung, dass Kinder beschützt und begleitet werden müssen. Ebenso wichtig sei eine altersgerechte Mediennutzung und die Vermittlung des Wissens an die Kinder, wie sie sich selbst schützen können. Was die altersgerechte Mediennutzung betrifft, empfiehlt Tisseron die Regel «3-6-9-12»: kein Bildschirm unter drei Jahren, keine eigene Spielkonsole vor sechs Jahren, kein Internet (auch nicht beaufsichtigt) vor neun Jahren und kein unbeaufsichtigtes Internet vor zwölf Jahren.

→ Referat Serge Tisseron

Jugendliche gehen auf sehr unterschiedliche Weise mit den Medien um. Die Generationsbezeichnungen «Digital Natives», «Facebook-Generation» oder «Gamer-Generation» verdeutlichen, dass ein Trend zu einem von digitalen Medien dominierten Alltag unter den Heranwachsenden herrsche. Untersuchungen ermöglichen es, einen differenzierteren Blick auf das zu richten, was im ersten Moment homogen erscheint. Auf der Grundlage aktueller Daten zum Medienalltag von Schweizer Jugendlichen wurden verschiedene Nutzungstypen vorgestellt. Dabei wurde aufgezeigt, bei welchen Gruppen Hinweise auf einen entwicklungsgefährdenden oder sozial unverträglichen Medienumgang bestehen. Für diese Gruppen sind besondere Anstrengungen für Medienkompetenzförderung und Jugendmedienschutz notwendig. Gemäss Süss ist eine differenzierte Medienpädagogik notwendig, da nicht alle Jugendlichen mit denselben Risiken und Chancen konfrontiert sind. Dabei sind vor allem das Vermitteln von positiven Impulsen für einen produktiven Medienalltag wichtig.

→ Referat Daniel Süss

→ James Studie

Prof. Friederike Tilemann von der Pädagogischen Hochschule Zürich führte in die Podiumsdiskussion ein. Sie bezeichnete als grösste Herausforderung, einen grundlegenden, systematischen Erwerb von Medienkompetenz u.a. in der Schule zu ermöglichen, und gleichzeitig eine gezielte, auf aktuelle Belange ausgerichtete Medienkompetenz in allen Altersstufen zu fördern. Anschliessend diskutierten

  • Pierre Maudet, Stadtpräsident Genf und Präsident EKKJ,
  • Michael In Albon, Jugendmedienschutzbeauftragter bei Swisscom,
  • Christoph Gebel, Leiter der Abteilung Unterhaltung von Schweizer Radio und Fernsehen,
  • Ludwig Gärtner, Vizedirektor Bundesamt für Sozialversicherungen
  • Friederike Tilemann, Dozentin für Medienbildung der Pädagogischen Hochschule Zürich
  • unter der Leitung von Marina Villa,

wer welche Pflichten wahrnehmen sollte und welche Handlungsoptionen im Jugendmedienschutz vielversprechend sind. So wurde betont, dass Anstrengungen im Bereich Regulierung sowohl von Seiten des Staates als auch der Medienbranchen notwendig sind, der Königsweg jedoch die Förderung von Medienkompetenzen sei.

→ Handout Tileman

Foren

Rolle und Bildungsbedarf der Eltern

In Zusammenarbeit mit der Koordinationsstelle Informationsgesellschaft im Bundesamt für Kommunikation BAKOM wurden im Forum 1 die Ergebnisse einer Studie zum medienerzieherischen Handeln und der Medienkompetenz von Eltern präsentiert und mit Eltern sowie Vertreter/innen von Elternorganisationen diskutiert. In der Diskussion wurde herausgestrichen, dass die Medienerziehung Teil des Familienalltags ist. Eltern müssen sich für ihre Kinder und deren Aktivitäten interessieren, sich mit ihnen auseinandersetzen, ansprechbar sein, eine gute Beziehung zu ihnen aufbauen, altersgerechte Regeln aufstellen, Grenzen setzen und Werte vermitteln. Dies ist anspruchsvoll und erfordert Durchhaltevermögen und Energie auf Seiten der Eltern. Deshalb erachten Fachleute es als wichtig, dass Eltern Unterstützungsangebote kennen und bei Bedarf in Anspruch nehmen.

Olivier Steiner von der Fachhochschule Nordwestschweiz präsentierte die Studienergebnisse. Die Gesamtstudie zum Download finden Sie hier (nur deutsch).

Bestehendes und Entwicklungsbedarf

Die vom Bundesamt für Sozialversicherungen BSV beauftragten Wissenschaftlerinnen präsentieren im Forum 2 den Stand der Arbeiten zur Erfassung der bestehenden Informations- und Schulungsangebote sowie von kantonalen Strategien zur Förderung von Medienkompetenzen in der Schweiz. Gleichzeitig wurde der Entwicklungsprozess von Instrumenten zur Qualitätssicherung von Schulungsangeboten präsentiert.

In der anschliessenden Diskussion wurden mit den Vertreter/innen von Kinderschutz Schweiz, Action Innocence, Educa.ch und Swisscom die wichtige Rolle der Schule und damit verbunden, die Relevanz von Richtlinien in den Lehrplänen zum Einsatz von digitalen Medien hervorgehoben. In Bezug auf die Qualitätskriterien erörterten die Diskutanten verschiedene Einsatzmöglichkeiten sowie die Frage der Zuständigkeit für die Qualitätsüberprüfung.

→ Präsentation Ruth Feller-Länzlinger, Bereichsleiterin "Bildung und Familie" Interface Politikstudien Forschung Beratung Luzern
→ Präsentation Suzanne Lischer, lic.rer.soc., nebenamtliche Dozentin am Institut Sozialmanagement und Sozialpolitik, Hochschule für Soziale Arbeit Luzern HSLU

Interaktion via digitaler Medien und Aufgaben für die Präventionsarbeit

Im Rahmen des Forums 3 in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Kriminalprävention SKP wurde auf den grossen Stellenwert von interaktiven Medien, Chat-Foren, Sozialen Netzwerken und Mobiltelefonen für Kinder und Jugendliche sowie den damit verbundenen Gefahren insbesondere "Cyberbullying" eingegangen. Hierzu präsentierte Fabio Sticca von der Universität Zürich aktuelle Befunde zum Ausmass des Phänomens in der Schweiz. Gleichzeitig thematisierte man die Bedeutung und den Einsatz von Bildern in den Medien. Anschliessend diskutierten die Teilnehmenden mit zwei Fachpersonen von zischtig.ch und Pro Juventute 147 Präventionsansätze.

→ Präsentation Candid Wüest, Web2.0-Spezialist, Symantec
→ Präsentation Fabio Sticca, Universität Zürich: Neueste Befunde der SNF-Studie zu Cybermobbing (netTEEN)

Einfluss von digitalen Medien auf die physische und psychische Gesundheit

Das Forum 4 wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit durchgeführt und behandelte die exzessive Nutzung von digitalen Medien. Dabei stand vor allem das Gefährdungspotenzial von Internet und Online-Games für junge Menschen im Zentrum der Referate. So wurden Ursachen und Risikofaktoren beleuchtet, die zu einer Suchtgefährdung führen sowie verschiedene Präventions- und Therapieansätze diskutiert, um eine gesunde «Net-Life-Balance» wieder herzustellen. Die Referierenden betonten dabei insbesondere die Bedeutung von System- und familienorientierten Therapiemodellen sowie die Befähigung zu einem selbstverantwortlichen Umgangs mit digitalen Medien.

Das Bundesamt für Gesundheit erstellt aktuell aufgrund parlamentarischer Vorstösse einen Bericht zu den Risiken exzessiver Nutzung Neuer Medien, um die Fragen der Gefährdung, insbesondere von Jugendlichen, näher zu untersuchen.

→ Präsentation Philippe Beytrison, psychologue-psychothérapeute FSP, thérapeute systémique et de famille ASTHEFIS, Fondation Phénix, Genève
→ Präsentation Franz Eidenbenz, lic. phil. I., Fachpsychologe für Psychotherapie FSP, Leiter Behandlung Zentrum Spielsucht und andere Verhaltenssüchte

Potenziale und Bestehendes

Im Forum 5 präsentierte der vom BSV beauftragte Medienforscher Prof. Neumann-Braun die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Grundlagenarbeit zur Methode der Peer Education. Diese gilt als vielversprechender Ansatz zur Förderung von Medienkompetenzen im Jugendalter im Zuge der zunehmenden Ablösung vom Elternhaus. Vertreter/innen aus der Jugendarbeit nahmen ihrerseits eine Einschätzung der Potenziale aber auch Herausforderungen vor, die mit Peer Education verbunden sind. Dies beträfe vor allem die Rolle von erwachsenen Fachpersonen, die bereit sein müssen, Verantwortung abzugeben und eine Begleitfunktion zu übernehmen. Das BSV wird in den nächsten Jahren mit finanzieller Unterstützung durch die Jacobs Stiftung Modellprojekte zu Peer Education umsetzen.

→ Präsentation Prof. Dr. Klaus Neumann-Braun, Institut für Medienwissenschaften, Universität Basel

Tipps und Vorschläge für die Mediennutzung in Freizeit, Familie und Schule

Im Forum 6, welches in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften organisiert wurde, standen Anregungen für die Gestaltung eines positiven Medienalltags in Familie und Schule im Vordergrund. Dabei präsentierte der Vertreter vom Österreichischen Jugendministerium Herbert Rosenstingl die positiven Einsatzmöglichkeiten von Computerspielen. Ergänzend dazu wurden am Beispiel der "iPhone-Klasse" in Goldau Erfahrungen präsentiert, wie die Neuen Medien im Schulalltag gewinnbringend eingesetzt werden können.

→ Präsentation Herbert Rosenstingl, BUPP Bundesstelle für die Positivprädikatisierung von Computer- und Konsolenspielen (Österreich): Positive Games für die Familie
→ Präsentation Prof. Dr. Beat Döbeli Honegger, Pädagogische Hochschule Zentralschweiz PHZ Schwyz: Digitale Medien für die Schule

Bekämpfung und Schutz vor Kriminalität und Piraterie im Internet

Im Forum 7 stellte der Universitätsdozent und Medienfachmann Pierre-André Léchot klar, dass eine Diskussion der Internetnutzung mit Jugendlichen auch immer eine Auseinandersetzung mit Normen und Regeln bedeutet. Er vertrat die Auffassung, dass Verhaltensregeln im Internet (auch als Netiquette bezeichnet) in den traditionellen Grundwerten verankert sind und die ethischen Kriterien des täglichen Lebens auch im Cyberspace Gültigkeit haben. Daran hat die Schweizerische Vereinigung zur Bekämpfung der Piraterie, SAFE, ein zentrales Interesse. Sie informierte sachlich sowohl über die heutigen Praktiken im Bereich des illegalen Downloads von Musik, Filmen, Spielen, als auch die möglichen rechtlichen Konsequenzen und Gefahren, die aus Sicht des Jugendschutzes bestehen. Vertreter der Koordinationsstelle zur Bekämpfung von Internetkriminalität und der Kantonspolizei Fribourg informierten über ihre Aktivitäten zur Prävention und Bekämpfung von Internetkriminalität.

→ Präsentation Pierre-André Léchot, Université Neuchâtel, Contenu de l'intervention: Normes et règles pour les jeunes sur Internet
→ Präsentation Jan Scharringhausen, Geschäftsführer SAFE: Piraterie gefährdet Jugendschutz

Problematische Wechselwirkungen zwischen Massenmedien und Jugendlichen

Das Forum 8, durchgeführt in Zusammenarbeit mit der Stadtzürcher Fachstelle für Gewaltprävention, thematisierte die problematischen Wechselwirkungen zwischen Massenmedien und Jugendlichen am Beispiel der medialen Berichterstattung über Amokläufe. Der renommierte Gewaltforscher Frank Robertz vertrat dabei die theoretische These, dass ein Verzicht auf die Berichterstattung über Amokläufe an Schulen der effektivste Weg wäre, um Nachahmungseffekte zu verhindern. Dies wird neben den ohnehin schon tragischen Konsequenzen eines solchen Ereignisses besonders gefürchtet. Mit den anwesenden Medienvertretern wurde diskutiert, welche Richtlinien praktikabel sind und bei der Berichterstattung befolgt werden sollten.

→ Präsentation Frank Robertz, Kriminologe, Leiter des Instituts für Gewaltprävention und angewandte Kriminologie IGaK, Berlin